Stolpersteine
SteinMK

Stolpersteine auch für Euthanasieopfer
 (Pressemitteilung des Kulturvereins Kürenz e.V. vom 31.01.2014)

Fotogalerie vom 22.02.2014

Stolpersteine sollen aufrütteln
(TV 18.02.2005)

Stolpersteine erinnern an Gerolsteiner Nazi-Opfer
http://www.forum1welt.de/berichte.20.11.2012.htm

Vier Stolpersteine für die Familie Levy
(TV 17.02.2011)

Stolpersteine erinnern an Gerolsteiner
Nazi-Opfer
(TV 21.11.2012)

GEROLSTEIN UND SEINE JÜDISCHEN MITBÜRGER BIS 1945
Herausgeber: Stadt Gerolstein, April 1986

Zu der Gedenksteinsetzung für Matthias Koch am 22.022014 waren die Patin aus Daun und BürgerInnen aus seinem Heimatort Gerolstein anwesend.
Vor Ort erinnert nun ein weiterer Stein an die vergessenen 500 Krankenmordopfer der Psychiatrieabteilung des Brüderkrankenhauses.
Die Patientenakte (s. unten) belegt den energischen, aber letztendlich vergeblichen Einspruch des Vaters gegen die Anordnung der Zwangssterilisierung aufgrund der Erbkrankheitsdiagnose von Dr. Faas, dem damaligen Leiter der Psychiatrieabteilung.

Unterlagen zur Biografie von Matthias Koch

Quelle:
LHA Best. 5512,022 Nr. 63; Transportdatum laut LHA Best. 426,6 Nr. 20753 u. Bundesarchiv Berlin R 179 Nr. 27651 Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach:
Personal-Akten über Mathias Koch (Gerolstein)


Heim- und Anstaltsaufenthalte

1930
9 Monate in Nervenklinik Bonn
(nicht genannte Einrichtung)

1931
 in nicht genannter „Kinderheimstätte“

30.11.1938
eingewiesen Heil-  u. Pflegeanstalt Trier
auf Veranlassung von Dr. Linden in Gerolstein

15.8.1939
nach Andernach, Karteikarten-Nr. 9666, laut Kleiderzettel mit
 1 Mütze, 1 Rock, 1 Hose, 1 Paar Hosenträger, 1 Strickweste, 5 Taschentücher, 1 Hemd, 1 Unterhose.1 Paar Schuhe und Strümpfe, 1 Spiegel,

1 Kamm, 1 Gebetbuch, 1 Taschenuhr mit Kette, 1 Geldbörse, 1 Rosenkranz, 1 Abzeichen (bescheinigt durch Pfleger Ballmann 16.8.1939,  Andernach)

7.6.1941
nach Hadamar mit Aktenzeichen „K 1933“


Gutachten

Dr. Faas Gerolstein 6.5.1935: „seit 1927 Anfälle“ und Aufenthalt in „Kinderheim-Stätte“ 1931 Mai bis Dezember, Ort?, Karl Kaiserring 22, Näheres ist nicht zu erfahren.....Eilige örtliche Untersuchung, da Vorladung nicht möglich.

30.11.1938
Dr. Linden/Gerolstein
Fragebogen zur ärztlichen Untersuchung des Gemütszustandes Matthias Koch aus Gerolstein behufs Aufnahme in eine Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt mit Überweisungsschein (Wortlaut)

„Math. Koch aus Gerolstein wird der Nervenstation des Brüderkrankenhauses wegen Epilepsie überwiesen.“



Weitere Angaben im Fragebogen: (= Antwort Fragebogen Nr. 9 „Verlauf der Erkrankung“)

Im neunten Lebensjahr traten erstmals die Anfälle auf, die sich nach und nach immer häufiger einstellten. In letzter Zeit traten fast jeden Tag Anfälle auf. In den Anfällen verletzte sich der Patient verschiedentlich. Eine Arbeit konnte er nicht mehr verrichten. In den letzten Wochen versuchte der Patient wiederholt, sich vom Hause zu entfernen, wurde bösartig, wenn man ihn daran zu hindernm suchte.

Weitere Angaben im Fragebogen: (= Antwort Fragebogen Nr. II. Eigene Wahrnehmung des berichterstattenden Arztes über das Verhalten des Kranken.

Nr. 15  „Wie ist das Verhalten des Kranken.“

Weitgehend verblödeter Epileptiker.
Verständlichmachung nur schwer und unvollständig möglich. Gezierte, umständliche Art zu reden. Erklärt, wenn er 21 Jahre und großjährig wäre, dann werde er auch wieder gesund. Lebhafte Sehnenreflexe,
(sonst ohne Befund)

Nr. 18.... .“Sind Sprachstörungen vorhanden.“ Spricht sehr langsam und    bedächtig.“

Nr. 19  „Welches ist das Ergebnis der weiteren körperlichen Untersuchung?“   ziemlich reducierter Allgemeinzustand.“

III.  Fragen, welche mit Rücksicht auf die Bestimmungen des § 6 der Preuß.  Ausführungsverordnung v. 17.4.24, Neufassung v. 30.5.32, besonders  sorgfältig zu beantworten sind:

21-  „Welche Tatsachen sind bisher beobachtet, aus denen hervorgeht, daß der  Kranke a)für sich und seine Umgebung gefährlich ist.......b)ungewöhnlich  belästigend und störend ist........c)wegen körperlicher Hilflosigkeit (Blindheit,  Taubstummheit, schwere Lähmungen etc.) sorgfältiger Pflege bedürftig ist?“

 Häusliche Pflege wegen Neigung zu Gewalttaten und Fortlaufen, gehäuftem  Auftreten epileptischer Anfälle unzureichend

22.  „Wer hat diese Tatsachen beobachtet? Berichterstatter, Vater des Patienten“.

30.11.1938
Aufnahmebefund Hauptbuch Nr. 4055 Heil- und Pflegeanstalt Trier

Größe 176 cm, Gewicht 59 Kg

Der begleitende Vater machte zur Annamnese folgende Angaben:

In der Familie des Vaters und in der der Mutter sind niemals Fälle von Fallsucht vorgekommen. Der Patient war als Kind ganz normal, lernte in der Schule sehr gut. Im Alter von 9 Jahren stellten sich zum ersten Male die Anfälle ein. Da sie immer häufiger wurden, wurde der Patient im Jahre 1930 nach Bonn in die Anstalt geschickt, wo er neun Monate blieb. Anschließend war er zuhause. Geistig ging er immer mehr zurück, so dass er zu einer geordneten Arbeit nicht zu gebrauchen war. Mit der Zeit wurden dann die Anfälle immer häufiger und die Verblödung nahm zu. In den letzten Wochen traten die Anfälle immer häufiger auf. Überdies zeigte der Junge Tendenz, fortzulaufen. Wenn man ihn daran zu hindern suchte, wurde er bösartig und gegen seine Angehörigen gewalttätig. In der letzten Zeit hatte er sich häufig im Anfall verletzt. Da die häusliche Pflege nicht mehr ausreicht, wird der Patient der Anstalt überwiesen.

Umfangreiche Eintragungen in Trierer Patientenakte auch über Medikamentation wie folgt

30.11.
In der Nacht hat er einen epileptischen Anfall.....Patient bekommt zunächst täglich 2 Prominal 2 Lubrocal

5.12. (1938)
Nur mit Mühe ist der Patient im Bett zu halten. Er ist motorisch sehr unruhig, Medikamente sopukt er principiell wieder aus, muss zur Beruhigung zwei mal täglich eine Ampulle Luminal haben. Benutzt jede Gelegenheit, um das Pflegepersonal oder auch Mitpatienten zu beissen, kratzen oder schlagen

5.5.1939
Auf Abt. 7 Ungeheuer lästig in seinem Benehmen....Anfälle ziemlich häufig. Steht unter Luminal

1935  Zwangssterilisationsverfahren

6.6.1935  AG Daun Anzeige

11.6.35  EGG EF aufgrund Gutachtens v. Dr. Faas

13.7.35  Widerspruch durch Vater (siehe unten)

17.7.35  EGG-Obergericht: ZS-Beschluss, Diagnose: erbliche Fallsucht

17.9.1935  OP-Bericht von Dr. Leonhard, Trier über die „Unfruchtbarmachung“

                   (Ev. Elisabethkrankenhaus Trier)

26.9.1935  „geheilt entlassen“

11.4.1940
Anzeige (nicht leserlicher Arztname) an Amtsarzt Mayen:
Sollte anstaltsverwahrter Koch „jemals“ entlassen werden , „wird der erforderliche Antrag auf Unfruchtbarmachung von hier aus gestellt werden.“

15.6.1940
Daun/Gesundheitsamt an HPA Andernach

Betr. Matthias Koch aus Gerolstein, geb. 17.9.1919, teile ich mit, dass der Obengenannte bereits im Jahre 1935 im evgl. Krankenhaus in Trier unfruchtbar gemacht worden ist.

 

13.7.1935

Wortlaut d. Widerspruchs v. Vater Theodor Koch, Gerolstein, Lissinger Str. 25

„Mein Sohn lebt in einer sittlich hochstehenden Familie und in einer unkomplizierten Umgebung. Sein Wesen ist abgeklärt und ruhig, wie bei einem gläubigen Christen,  der nach schwerem Leiden mit dieser Welt abgeschlossen hat….Deshalb stimme ich seiner Sterilisation nicht zu und bitte das hohe Gericht unter Erwägung der angeführten Gründe um Entscheidung in meinem Sinn.

 

 

Wehruntauglichkeit

26.1.1940 Wehrmeldeamt Mayen Anfrage beim Chefarzt der Heil- und Pflegeanstalt Andernach erbittet Mitteilung, „ob der dortige Insasse, der dienstpflichtige Math. Koch, geb. 16.9.1919 in Gerolstein, zur Musterung erscheinen kann.
Andernfalls wird um Übersendung einer amtlichen Bescheinigung gebeten, aus der hervorgeht, dass der Dienstpflichtige für den Wehrdienst untauglich ist.“

 

30.1.1940
Anstaltsarzt Dr. Kreisch Bescheinigung über Wehruntauglichkeit des „an erblicher Fallsucht“ leidenden K. an Wehrmeldeamt Mayen

3.2.1940
Ausmusterungsbescheid Wehrbezirkskommando Koblenz

Mathias Koch......ist völlig untauglich zum Dienst in der Wehrmacht. Scheidet aus dem Wehrpflichtverhältnis aus.
Andernach, 3.2.1940 Die Kreispolizeibehörde, der Wehrbezirkskommandeur

 


Weitere Autobiografische Dokumente

16.1.1940
Vater Theodor Koch
An den Herrn Direktor der Provinzialanstalt Andernach

Seit längerer Zeit liegt mein Sohn Matthias zu Bett und klagt bei den Besuchen dauernd über schweren Stuhlgang und Verstopfung. Ich bitte Sie höflich um Mitteilung, ob an der Anstalt selbst etwas zur Linderung getan werden kann, oder ob wir sorgen (sic?)

Ich bitte auch um eine Mitteilung über die Aussichten einer Besserung

Heil Hitler, Theodor Koch, Gerolstein, Lissinger Weg 25 (einziges Mal „Heil Hitler“ Gruß des Vaters in Korrespondenz mit Anstalt, T.S.)

(Antwort?) vom 21.1.1941 (noch nicht transkribiert , T.S.)

19.1.1940
Vater Theodor
An den Herrn Direktor der Provinzialanstalt Andernach

Mein Sohn Matthias Koch ist seit einiger Zeit in die Abteilung 2 b versetzt worden. Geben Sie uns bitte Nachricht, ob in dieser Abteilung noch speziell gegen seine Krankheit (Epilepsie) etwas unternommen wird. Ich bitte gleichfalls um eine kurze Beurteilung des Zustandes meines Sohnes.

Er erzählte mir beim letzten Besuch von seinen Anstrengungen, wieder zu der Jacke zu kommen, in der er seine Brief (schaften ? unleserliches Wort) nachtrug (sic?). Mir wäre es eine Beruhigung zu wissen, dass er solche individuellen Besitztümer nicht leicht (Wort?) entbehren muß.

Schließlich gestatte ich mir auch die Frage, ob Sie für den Zustand meines Sohnes andere Bedingungen für zweckmäßiger ansehen?

Mit dankbarer Hochachtung

Theodor Koch, Gerolstein, Lissinger Weg 25

24.1.1940
Antwort Anstaltsarzt Dr. Kreisch an Theodor Koch

Sehr geehrter Herr Koch!

Auf Ihr Schreiben vom 19.1.1940 erwidern wir Ihnen, daß auf der Abteilung, auf welcher sich Ihr Sohn jetzt befindet, speziell gegen seine Krankheit nichts Besonderes unternommen wird und bei der Natur seines bereits weitfortgeschrittenen Leidens auch nichts unternommen werden kann. Wahrscheinlich wird ihr Sohn dauernd anstaltsbedürftig bleiben.

Was Ihre Erwähnung wegen der Jacke Ihre Sohnes angeht, war die Sache die: Ihr Sohn hatte am Sonntag aus Anlass des Besuches eine bessere Jacke bekommen, als er sie im Alltag trägt. Nach Beendigung des Besuches hat er seine gewohnte Jacke mit allem, was ihm gehörte, zurückbekommen. Meine persönlichen Nachforschungen haben ergeben, dass Ihrem Sohn noch niemals etwas weggekommen ist. Er hatte ein Päckchen mit Briefen und Bildern stets bei sich und die hat er auch jetzt noch. Selbst sagt er, dass ihm nichts abhanden gekommen sei. Damit dürfte die Angelegenheit wohl erledigt sein.

Heil Hitler

Dr. Kreisch

 

 

Stolpersteine sollen aufrütteln

TV vom 18.02.05

GEROLSTEIN. (red) Der Verein "Forum Eine Welt" hatte zum Gedenken an den Holocaust zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung eingeladen. Dabei wurde das Projekt "Stolpersteine" vorgestellt.

Vereinssprecher Klaus Heller begrüßte zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung anlässlich des Holocaust-Gedenktags etwa 25 Gäste im Bahnhofsrestaurant. Er stellte die zwei geplanten Projekte zur Erhaltung des Andenkens an die verfolgten Gerolsteiner Juden vor: die Verlegung von so genannten Stolpersteinen und die Herausgabe einer Broschüre über die Gerolsteiner Juden. Die Idee der Stolpersteine stammt von dem Kölner Künstler Gunter Demnig, der bisher mehr als 4000 Stück in etwa 60 deutschen Städten, darunter in Trier, zum Gedenken an die Opfer des NS-Regimes verlegt hat.
Ein Stein ist zehn mal zehn Zentimeter groß und trägt eine mit dem Beton-Pflasterin fest verbundene Messingtafel mit Inschrift der Lebensdaten der Opfer.
Die Steine sollen jeweils vor dem einstigen Wohnsitz der Betroffenen als Mahnung und zum Gedenken in den Boden eingelassen werden. Markus Pflüger von der AG Frieden Trier und Mitinitiator des Stolperstein-Projekts in Trier erläuterte das Ziel der Aktion: Die Steine sollen zum "gedanklichen Stolpern" anregen und als "dezentrale Mahnmale" das Geschehene lebendig halten.
Rachel Kyll, Vertreterin der Jüdischen Kulturgemeinde Trier, sieht die Projekte grundsätzlich positiv. Nicht einverstanden ist die Jüdische Kirchengemeinde mit der Wiedergabe der persönlichen Opferdaten auf dem Schild des Stolpersteins. Ihre Begründung: Durch das Einlassen in den Boden werden die persönlichen Lebensdaten gewissermaßen "mit Füßen getreten". Unverzichtbar sei auch das Einverständnis der direkten Angehörigen oder Überlebenden. Einige Teilnehmer schlugen alternativ unbeschriftete Messingtafeln im Boden in Verbindung mit an der Hauswand befestigten Lebensdaten-Tafeln oder eine große Gedenktafel mit Namen auf dem jüdischen Friedhof Sarresdorf vor.

Das zweite Vorhaben, die Broschüre über die Gerolsteiner Juden, wurde im Entwurf vorgestellt und beinhaltet Texte über die Jüdische Bevölkerung in Gerolstein bis 1945, Fotoporträts Gerolsteiner Juden und sowie Berichte von Zeitzeugen.

Das "Forum Eine Welt" bittet um Zeitzeugenberichte, Fotos und Adressen von ehemaligen Gerolsteiner Juden oder ihren Nachfahren. Ansprechpartner: Klaus Heller, Telefon 06595/676.